26.09.2022: Beim Kohleausstieg abgehängt (Tageszeitung junge Welt)

2022-10-01 16:21:31 By : Mr. Vincent Weng

Einer der weltweit größten Kohleproduzenten und führenden Exporteure des traditionellen Energieträgers will bis 2060 klimaneutral werden. Innerhalb der nächsten Dekade soll in Indonesien schrittweise der Abschied von der Kohle erfolgen. Zwar hat die südostasiatische Inselnation erklärtermaßen große Potentiale für regenerative Energieerzeugung, allerdings nicht die finanziellen Mittel. Es mangelt an Investitionen.

Bisher hängt Indonesiens Stromerzeugung zu 60 Prozent an der Kohle. Doch Staatschef Joko Widodo und Teile des Kabinetts machen Druck, nun die nötigen Weichenstellungen vorzunehmen. Ob das Ziel, den Anteil »regenerativer Energiequellen« am Strommix bis 2025 auf 23 Prozent zu erhöhen, erreicht wird, ist fraglich. Um bis 2060 die CO2-Emissionen in Gänze auf Null zu bringen, werden laut Schätzungen der Regierung 1.108 Milliarden US-Dollar an Investitionen gebraucht. Die Investment Renewable Energy Agency (Irena) wiederum spricht von etwa 16 Milliarden Dollar Investitionen im Jahresschnitt, die für die Umstellung vonnöten seien. Klar ist: Es geht um gigantische Summen ausländischen Kapitals. Im Juli monierte Bahlil Lahadalia, Minister für Investitionen, bei einem G20-Arbeitsgruppentreffen in Surakarta, der globale Süden laufe Gefahr, abgehängt zu werden. Nur 20 Prozent der Investitionen in »grüne« Energieprojekte flössen in diese Ländergruppe, in der aber zwei Drittel der Weltbevölkerung leben.

Die Regierung setzt auf zusätzliche Anreize für Unternehmen, etwa in Form von hohen Steuervergünstigungen. Ab 500 Milliarden Rupien Minimum an Einsatz (gut 33 Millionen US-Dollar) winkt eine Befreiung von der Körperschaftssteuer für fünf bis 20 Jahre, wie es in der Zeitung ­Jakarta Globe am vergangenen Mittwoch hieß. Reduzierungen sind auch schon für geringere Beträge möglich. Und gestaffelt über sechs Jahre, könnten auch 30 Prozent der Investitionssumme über die Einkommenssteuer abgesetzt werden. Zudem werden für notwendige Importe von Rohmaterial deutliche Abzüge bei den üblichen Einfuhrzöllen versprochen.

Bei einem G20-Entwicklungsministertreffen auf Belitung am 7. September hatte der dänische Ressortchef Flemming Møller Mortensen davon gesprochen, dass Indonesien – das derzeit auch den G20-Vorsitz führt – zum Vorreiter für »grüne« Energie in Südostasien werden könnte. Die Nachrichtenagentur Antara zitierte Mortensen mit der Forderung nach einem klaren, transparenten politischen Rahmengerüst. Indonesien sieht wichtige Vorarbeit geleistet und verweist gern auf das sogenannte Omnibus Law – ein 2020 von Widodo verabschiedetes Gesetz, das vor allem durch Bürokratieabbau die Jobmaschine anwerfen sollte, jetzt aber auch »grünen« Energieprojekten zugute komme.

Neben Wind- und Solarkraftnutzung kommt für die 7.000 Inseln übrigens auch Geothermie im großen Stil in Frage, um die dominante Kohle abzulösen. Die Analysefirma Global Data sieht Indonesien in einer aktuellen Studie bei 24 Gigawatt Reserven an Erdwärme – 40 Prozent der weltweiten Reserven. Jakarta hat für entsprechende Projekte einen Förderfonds über umgerechnet 275 Millionen US-Dollar aufgelegt. Neue Kohlemeiler sollen wiederum eigentlich gar nicht mehr ans Netz gehen dürfen. Wie die Wirtschaftsagentur Bloomberg schreibt, sieht eine präsidiale Anordnung vom 13. September aber nun Ausnahmen vor. Hintergrund ist auch, dass es nicht nur um eine Sicherung der heutigen Stromerzeugung geht, sondern auch um einen jährlich um vier Prozent steigenden Energiebedarf.

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