Theater Basel: Auf der Achterbahn des Lebens und Strebens

2021-12-07 03:06:00 By : Mr. DIAN ZHUANG

Regisseur Martin Laberenz treibt Balzacs satirisches Moralgemälde „Verlorene Illusionen“ durch den Kapriolenapparat des Basler Theaters.

Honoré de Balzac führt uns in seinem Roman in das Paris des 19. Der Provinzial Lucien findet sich in dieser Welt wieder. Mit einem Romanmanuskript und einer Sonettesammlung in der Tasche reist er nach Paris, voller Illusionen, dass er dort als Autor erfolgreich sein wird, nur um von den Gesetzen der Szene zermalmt und zu Fall gebracht zu werden.

Auf der kleinen Bühne symbolisiert eine Achterbahn dieses Schicksal, das von Aufstieg und Fall bestimmt wird. Das Setting lässt auf eine rasante Inszenierung schließen – der Name des Regisseurs Martin Laberenz steht nicht wirklich für sanfte Töne und feine Facetten. Und doch beginnt der Abend mit sanften Tönen. Mit Birte Schnöink als Lucien, die im Vorgriff auf den späteren Fall über Selbstmord nachdenkt.

Doch diese Zurückhaltung ist bald vorbei. Die Rolle des Lucien wird vererbt: an Julian Anatol Schneider, der mit akrobatischen Einlagen den schwungvollen Emporkömmling gibt, an Annika Meier, die mit tragikomischem Slapstick nacherlebt, wie Lucien in die Klauen von Moloch gerät, und schließlich an Peter Knaack, den einen Treten Sie zu weit und fallen Sie in den Abgrund.

Laberenz präsentiert in seiner Inszenierung kein zeitgenössisches Bild der von Balzac meisterhaft gemalten Custom Painting. Allerdings baut er auch keine aktualisierte Version auf, die mit einer Übertragung in die Social-Media-Szene denkbar wäre. Er entschied sich für eine Art Hybrid, der zwischen damals und heute hin und her mäandert. Und er tut dies nicht mit der Sorgfalt eines Theaterautors, der eine Romanverfilmung präzise vorsieht.

Der szenische Rahmen von Laberenz zeichnet sich durch eine bewusste Schlamperei aus, die den Fluss der erzählten Geschichte aufgestaut und aufgebrochen hält. Sein Erfolgsrezept scheint zu sein, dass er dem Ensemble viel Raum für individuelle und damit manchmal verwirrende Entfaltung lässt. Und dass er seine Spieler zu wunderschönen Kabinettstücken und wunderbaren Gesangseinlagen treiben kann.

Das Zusammenfügen dieser Teile zu einem Ganzen ist nicht immer möglich. Am Ende scheint dem Ensemble Schnauf und die Zeit ausgegangen zu sein, um Balzacs Geschichte verständlich zu Ende zu erzählen.

Stattdessen greift Laberenz auf ein altbewährtes Mittel aus der Operettenbox zurück, das er subversiv umkehrt: Als negativer Deus ex machina legt er einen monotonen Rock 'n' Roll-Sound über die Kulisse, der das Ensemble in eine tänzerische Trance versetzt und fühlt sich gut an, zu symbolisieren, dass es kein Entrinnen aus dem Strudel der Ereignisse gibt.

Bei „Lost Illusions“ sollte man sich keine Illusionen machen, dass eine Geschichte stringent erzählt wird. Der Abend dauert drei Stunden, sorgt aber mit einem Feuerwerk an Ideen dafür, dass es nicht lange dauert. Das Premierenpublikum feierte die Aufführung mit viel Applaus.

«Lost Illusions» Theater Basel, bis 6. Februar. www.theater-basel.ch