Neuinszenierung des "Freischütz" in Mainz

2021-11-26 03:41:32 By : Ms. Anne zhang

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Auch das Unbewusste wird gezeigt: Alexander Nerlichs Interpretation des "Freischütz", hier Alexander Spemann als Max (zweiter von rechts) und Chor. Bild: Andreas Etter

Mit einem Darsteller in der Rolle des Samiel gewinnt Regisseur Alexander Nerlich eine neue Perspektive auf den Mainzer "Freischütz". Die kleine Sprechrolle ist in der Landeshauptstadt allgegenwärtig.

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D er teuflische Samiel, mit dem die Jäger Kaspar und Max um der immer treffenden freien Bälle willen ihre tödlichen Pakte eingehen, bekommt eine ganz neue Bedeutung. In Alexander Nerlichs Neuinszenierung der Oper „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber am Staatstheater Mainz wird er zu einer völlig neuen szenischen Figur. Die kleine Sprechrolle, für die in anderen Produktionen der Wolfsschluchtszene manchmal nur eine finstere Stimme vom Tonband gespielt wird, bleibt dort stumm, ist aber ansonsten allgegenwärtig.

Die kanadisch-italienische Tänzerin und Performerin Alessia Ruffolo verdeutlicht in Jasmin Haucks Choreografie, die sich mit modernen Ausdrucksmitteln sehr passend und sensibel in die Musik einfügt, nämlich all die inneren, oft dunklen Sehnsüchte, Sehnsüchte und Motive jeder einzelnen Hauptfigur. Als androgyne, mephistophelische Erscheinung verführt Ruffolo mit katzenhafter Geschmeidigkeit, enthüllt den Subtext des naiv anmutenden Librettos oder windet sich mit künstlerischem Geschick durch die einheitliche Bühnengestaltung von Wolfgang Menardi, die in allen drei Akten gleich bleibt.

Wie die Kostüme von Zana Bosnjak erfüllt diese mit nur leichter Stilisierung konventionelle Erwartungen. Das Ganze spielt so wie es ist, kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg in ländlicher, jägerischer, hier dunkler Atmosphäre: Uniformen, weite Röcke, Hüte, Vorderlader, drei hohe Bäume, die den Wald zu einem bedrohlichen Ort im Sinn für schwarze Romantik Ständig im Blickfeld ein paar Biertische und als zentrales Element auf der Drehbühne ein großes Gestell mit Holztreppe.

All das ist sofort als klassische „Freischütz“-Ausrüstung zu erkennen und wirkt auf den ersten Blick nur allzu vertraut. Aber Nerlich, der als Hausregisseur am Staatstheater Mainz nun nach mehreren Schauspielproduktionen und nach einem um 20 Monate verkürzten Pandemieprogramm dort erstmals wieder eine große Opernproduktion inszeniert, mit seiner starken Betonung des Samiel Rolle, führt viel mehr in psychologische Tiefen als vordergründig eklatante modernisierte Interpretationen.

Er beleidigt das Publikum nicht mit den heute bei den Jägern fast üblichen Nazi-Uniformen oder mit Gruppenvergewaltigungen und kontert Webers Musik nicht. Vielmehr lässt er ihr Raum zur Entfaltung, lässt den Vorhang deutlich für die Ouvertüre und kann dank der dynamischen Energie der Tänzerin auch mal die Statik in den großen Chorszenen walten lassen.

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Der Ansatz, wie Nerlich im Programmheft skizziert, wird schnell klar und ist leicht verständlich: "Samiel verkörpert für uns nicht das Böse, sondern das bedrohliche Unterbewusstsein." Es gehe also um "eine Gegenkraft, die Ambivalenzen in Szenen bringt, die Charaktere". Schafft Probleme oder befreit etwas in ihnen ”. Dass jeder diese Ambivalenz in sich trägt, zeigt sich auch schon früh in anderen Bildern: Zum Beispiel, wenn der Chor der einfachen Leute beim Schützenfest den armen Max auslacht, weil er ihn verpasst und die Szene mit fiesem Unterlicht quasi einfriert.

Die Angst vor dem Scheitern treibt den braven Jägerjungen, der erst nach erfolgreichem Probeschuss den Hof des Erbförsters und die Hand seiner Tochter Agathe erhalten soll. Damit macht sich Alexander Spemann als Max bemerkbar, der gar nicht straff ist, obwohl sein Gesang ungewollt karg, nasal gepresst und nicht wirklich im Ton des jugendlichen heroischen Tenors ist. Die Idee eines netten Regisseurs ist, dass Max den androgynen Samiel ganz zum Schluss liebevoll küsst und der Einsiedler die erstaunte Agathe wieder von ihm wegführt.

Nerlich ringt merklich mit der sehr passiven Figur der Agathe, um sie als Seherin und Warnerin aktiver erscheinen zu lassen. Aber sie bleibt die fromme, keusche Jungfrau, deren reine, einfache Melodien genau dem Charakter von Nadja Stefanoff entsprechen. Auch Samiel ist beruhigt und passt sich ihr mit der klassischen blonden Agathe Perücke an.

Gerade solche Momente zeigen sogar die Stärke der Produktion: Sie hört auf die Musik. Wenn jedoch das fröhliche Ännchen (idealerweise: Julietta Aleksanyan) in Form von Samiel zu erotischen Fantasien getanzt wird, passt das überraschend gut.

So hätte man dem entschlossenen Bösewicht Kaspar vielleicht noch ein paar Facetten oder Zweifel zuweisen können. Auf jeden Fall verleiht Derrick Ballard dem Part eine sonore, dunkle Bassstimme und dem Charakter eine starke Bühnenpräsenz.

Generalmusikdirektor Hermann Bäumer mit dem gut organisierten Philharmonischen Staatsorchester achtet besonders auf die dunklen Farben der Musik, gleichzeitig aber auf einen schlichten, volksliedhaften Ton.

Der berühmte Jägerchor klingt entspannter als martialisch schmetternd. Auch der von Chorleiter Sebastian Hernandez-Laverny vorbereitete Chor und der Extrachor des Staatstheaters sind nach der langen Zwangspause sehr gut organisiert und voll engagiert.

"Der Freischütz", nächste Vorstellungen am 28. November um 14 Uhr, am 8. und 21. Dezember um 19.30 Uhr, 2 G.

"Der Freischütz", nächste Vorstellungen am 28. November um 14 Uhr, am 8. und 21. Dezember um 19.30 Uhr, 2 G.

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