Halo Infinite: Tolles Shooter-Gameplay trifft triste Open World

2022-06-25 02:08:58 By : Mr. Jin Xu

Mit der Kampagne von Halo Infinite versucht Entwickler 343 Industries mal was Neues: Das Gameplay des Ego-Shooters wird mit einem Greifhaken und anderen Gadgets erweitert. Statt linearem Action-Feuerwerk gibt's eine Open World. Wie gut funktioniert das? Wir durften den Titel noch vor Release anspielen und verraten in der Preview unsere ersten Eindrücke!

Was macht eigentlich die Kampagne von Halo Infinite? Während der kostenlose Multiplayer bereits ausgiebig angespielt werden darf, herrscht rund um den Story-Modus des Ego-Shooters weiter geheimnisvolles Schweigen. Abgesehen von einem kurzen Feature-Trailer im Oktober gab es quasi nichts Neues zu sehen. Und das, obwohl der Release für PC und Xbox ja quasi schon vor der Haustür steht!

Doch keine Sorge, wir sorgen jetzt für Klarheit! Wir wurden nämlich von Microsoft eingeladen, eine Preview-Fassung des Titels anzuspielen, in die ikonische Rüstung des Master Chief zu schlüpfen und unsere ersten Schritte über den Zeta-Halo zu machen.

Wobei, das so natürlich nicht ganz stimmt. Der Auftakt von Infinite verschlägt uns nämlich erst mal an Bord eines Kriegsschiffes der Banished. Hier sind wir mit dem Master Chief auf der Suche nach einer neuen Begleiter-KI, die uns dabei helfen soll, die Menschheit zu retten. Statt Cortana stellt euch Infinite "die Waffe" an die Seite. Das klingt aber deutlich martialischer als es am Ende ist. Eure Holo-Freundin ist tatsächlich ziemlich sympathisch und hat auch den einen oder anderen flotten Spruch auf Lager. Die Dynamik zwischen ihr und Spartan-117 passt so bereits in den ersten Spielminuten richtig gut. Das erinnert alles an das bewährte "grüner Mann, blaue Frau"-Konzept, das laut Entwicklern schon den Charme früherer Teile ausmachte. Hier und da waren uns die Wortwechsel zwar ein wenig zu lässig dafür, dass gerade das Schicksal des gesamten Universums auf dem Spiel steht. Aber das ist wohl Geschmackssache.

Eure Begleiter-KI "Die Waffe" hilft euch dabei, Terminals zu hacken oder Energiequellen umzuleiten. Quelle: PC Games Was außer Frage steht: Als Neueinsteiger wird es zu Beginn ein wenig dauern, sich in der Welt von Halo Infinite (jetzt kaufen 69,99 € ) zurecht zu finden. Nach über 20 Jahren, dutzenden Spielen, Büchern und nun bald auch noch einer ausgewachsenen TV-Serie ist die Lore des Shooters ein wenig verworren. Was hat es denn jetzt eigentlich mit diesen Ringen auf sich? Wer ist Doktor Helsey? Warum sind die UNSC und die Banished im Krieg? Wer mit Infinite in die Serie einsteigt, wird viele Fragezeichen über dem Kopf haben, nicht alle davon werden im Verlauf des Spiels verschwinden. Da hilft auch der Ansatz des spirituellen Reboots nicht, den die Entwickler verfolgt haben. Eine einführende Cutscene, ein "Was bisher geschah" oder zumindest eine Art Ingame-Lexikon, in dem man sich über die verschiedenen Figuren und Fraktionen schlau machen kann, wären enorm hilfreich Vorteil gewesen. So bleibt einem nur der Blick in die Halopedia.

Am Spielspaß nagt dieser Umstand zum Auftakt aber nicht. Gerade der ist nämlich richtig packend inszeniert. Entwickler 343 Industries fährt in der ersten Spielstunde ein perfekt durchgeplantes Actionfeuerwerk ab, das einen direkt in den Bann zieht. Ihr rennt durch die engen Gänge der Gbraakon-Station, die unter euren Füßen in Flammen aufgeht. Oder ihr wandert ehrfürchtig durch die heiligen Archive der Blutsväter, während der Master Chief von Visionen seiner Vergangenheit verfolgt wird. Hier spielt Halo definitiv seine Stärken aus.

Dann landet ihr aber auf dem Zeta-Halo, dem offenen Sandbox-Areal des Spiels, und die Qualität lässt merklich nach. Mit Halo Infinite haben die Macher nach über 20 Jahren Seriengeschichte erstmals das Konzept "Open World" für sich entdeckt. Damit sind sie nicht nur sonderlich spät dran, sie setzen dabei auch noch auf Mechaniken, die bei anderen Genre-Vertretern wie etwa Far Cry sogar hartgesottenen Fans zum Hals raushängen.

Bereits der Karten-Abschnitt unserer Demo hatte einiges an Beschäftigungsmöglichkeiten zu bieten. Quelle: PC Games Ein Beispiel gefällig? Außenposten. So viele Außenposten. Die Banished haben auf dem Zeta-Halo eine Reihe von taktischen Basen errichtet, die ihr angreifen und einnehmen könnt. So bekommt ihr nicht nur Zugriff auf eigene Stützpunkte, wo ihr euch Fahrzeuge und Waffen besorgt. Ihr schaltet auf der taktischen Karte auch Aktivitäten in der Umgebung frei: Festungen zum Beispiel, die ihr dann genau wie einen Außenposten ausheben dürft, diesmal aber wenigstens verbunden mit ein paar kleinen Ingame-Missionen wie dem Hochjagen von Silos. Oder High-Profile-Ziele, von denen ihr dann Waffen für euer Arsenal freischaltet. Spannend, was? Dazu kommt eine schier endlose Anzahl an sinnbefreiten Sammelobjekten: Audio-Aufnahmen, Propaganda-Türme oder Mjolnir-Waffenkammern, in denen dann allen Ernstes Skins und Cosmetics für den Multiplayer stecken. Da macht das Erkunden aber mal so richtig Spaß.

Die Open World in Halo Infinite wirkt in den ersten Stunden einfach vollkommen deplatziert - als würde man einem Doom Eternal eine offene Spielwelt überstülpen. Besonders, da die weitläufigeren Areale höchstens einen überschaubaren spielerischen Mehrwert bieten. Die Story-Struktur bleibt trotzdem linear. Ihr müsst euch zum Startpunkt einer Hauptmission jetzt halt erst selbst hinbegeben und könnt auf dem Weg noch ein paar Nebenaufgaben abhaken. Es gibt jetzt zwar mehr zu entdecken, aber nicht wirklich viel zu sehen. Der Zeta-Halo hat keine spannenden Wahrzeichen oder gar ein lebendiges Ökosystem. Hin und wieder rennt ihr mal in einen Hinterhalt. Das ist war's dann aber auch schon. Und der Tag-Nacht-Rhythmus sieht zwar hübsch aus, ob ihr euch bei Vollmond oder strahlendem Sonnenschein durch Gegnerhorden ballert macht aber keinen Unterschied, Stealth gibt's ja schließlich nicht. Der einzige Vorteil der Open World scheint darin zu bestehen, das Spiel zum größten und umfangreichsten Ableger der gesamten Reihe zu machen. Nach knapp drei Stunden in unserer Anspielversion hatten wir angeblich gerade einmal sieben Prozent aller Inhalte abgeschlossen.

Immerhin: Ihr habt jetzt auch etwas mehr spielerische Freiheit bei eurer Herangehensweise. Statt den Banished im Alleingang Feuer unterm Arsch zu machen, könnt ihr auch zusammen mit ein paar UNSC-Marines in einen Warthog steigen und mit wild feuerndem Bordgeschütz durch die Gegend brettern. Das ist tatsächlich ziemlich launig.

Nur die Fahrzeug-Steuerung ist und bleibt eine Katastrophe. Beschleunigen und Bremsen liegt auf dem linken Stick. Lenken könnt ihr dann, indem ihr mit dem rechten Stick die Kamera dreht. Das ist ein absolut furchtbares System, das nur dazu führt, dass man regelmäßig in irgendein Hindernis knallt. Dazu haben Mongoose und Co. auch noch gefühlt das Gewicht eines Flummis. Ihr überschlagt euch also gerne mal und müsst eure Karre dann eigenhändig wieder auf die Räder stellen. Die Fahrzeug-Steuerung von Halo Infinite ist leider ein ziemliches Desaster. Quelle: PC Games

Wenigstens in Sachen Gunplay kann man dann aber mal so gar nicht meckern. Halo Infinite spielt sich selbst mit dem Controller knackig und präzise. Das Movement flutscht, die Waffen knallen. Wenn ihr einen Brute mit eurem Sturmgewehr bearbeitet, verliert er erst Helm und Rüstungsteile, bevor er abnippelt. Ein Grunt fliegt schreiend durch die Gegend, sobald ihr ihm eins mit dem Protonenschwert verpasst. Das Waffenarsenal allein bietet schon eine unfassbare Abwechslung, wird dann aber nochmal von einer Reihe Granaten, stationären Geschützen und auffindbaren Miniguns abgerundet.

Das Gunplay in Halo Infinite macht Laune, auch dank des echt umfangreichen Waffen-Arsenals. Quelle: PC Games Unser persönliches Highlight ist und bleibt aber der Nahkampf. Eurem Gegenüber mit dem Gewehrkolben die Nase zu brechen, das macht halt einfach Laune - besonders in Kombination mit dem neuen Greifhaken. Mit dem entreißt ihr einem Schakal sein Schild. Ihr greift nach einer Energiezelle in der Nähe, die ihr dann auf eure Widersacher schleudert. Oder ihr zieht euch an einen Gegner heran, um ihm ordentlich eine mitzugeben. Später lässt sich euer Grapplehook sogar noch verbessern. Gesammelte Spartan-Kerne investiert ihr zum Beispiel in einen zusätzlichen Elektroschock-Effekt. Außerdem schaltet ihr über den Spielverlauf andauernd neue Gadgets wie ein Drop Shield oder einen Umgebungsscanner frei, die sich sinnvoll ins vorhandene Gameplay-Gerüst einfügen.

Diese technischen Spielereien sind auch bitter nötig, Halo Infinite kann nämlich ganz schön fordernd werden. Die Banished sind vielleicht nicht besonders clever. Sie brauchen manchmal ein wenig, um auf euch aufmerksam zu werden, auch so richtige Taktiken haben wir bei ihnen nicht erkennen können. Aber allein aufgrund ihrer Masse und Feuerkraft sind sie eine ernstzunehmende Bedrohung. Bereits auf dem normalen Schwierigkeitsgrad kamen wir öfter mal ins Schwitzen. Auf den beiden höheren Stufen Heldenhaft und Legendär kann dann sogar schon eine einzelne Granate den Tod bedeuten. Mangels Deckungs- oder Dash-Funktion müsst ihr also immer in Bewegung bleiben.

Bleibt nur noch die Frage: Wie gut sieht das Ganze denn mittlerweile aus? Die Grafik von Halo Infinite war ja bei der Gameplay-Enthüllung im vergangenen Jahr ein ziemlicher Aufreger und einer der Gründe für die Release-Verschiebung. Entsprechend hat 343 Industries nochmal ordentlich Arbeit in den Look des Sci-Fi-Shooters investiert, mit sichtbarem Erfolg. Das Bild wirkt nicht mehr so kalt, steril und glattgebügelt. Auch Beleuchtung, Spiegelungen, Explosions- und Feuereffekte machen jetzt einen deutlich natürlichen Eindruck. Aus den Socken gehauen, hat uns das Gesehene aber noch immer nicht. Ja, wir haben nur auf Xbox Series S und X gespielt. Ja, der typische Halo-Stil ist eben ein wenig "clean". Darüber wollen wir uns bei den Levels in Raumschiffen oder Gebäuden auch nicht beschweren. Die Open World schaut beim genaueren Hinsehen aber etwas detailarm und matschig aus. Hinterm Steuer könnt ihr immer gut mitverfolgen, wie Gräser und andere Texturen am Wegesrand immer erst geladen werden, wenn sie so langsam in eurem Sichtfenster erscheinen.

Die gescripteten Sequenzen in Halo Infinite, in denen alles in die Luft fliegt, machen ordentlich Laune. Quelle: PC Games Dafür ist der Rest der Inszenierung durchaus gelungen. Der chorale Soundtrack jagt einem herrliche Schauer über den Rücken. Der deutsche Voice Cast rund um Tobias Kluckert macht einen guten Job. Die deutsche Stimme von Nathan Fillion, die den Master Chief bereits in Teil 4 und 5 vertonte, haut auch gerne mal den einen oder anderen coolen One-Liner raus. Das passt alles.

Dennoch bleiben wir am Ende unserer Anspiel-Session mit ziemlich gemischten Gefühlen zurück. So toll die Geschichte und das Gunplay von Halo Infinite auch sind, so durchwachsen fällt das Fazit zum Leveldesign aus. In seinen besten Momenten, wenn ihr der linearen Action-Achterbahn folgt, fühlt sich Halo wie einer der besten Shooter des Jahres an. In den weitläufigen Sandbox-Arealen geht allerdings viel von Look, Feeling und Atmosphäre flöten. Es bleibt spannend abzuwarten, wie schlimm dieser Kontrast zum finalen Release am 8. Dezember ausschaut. Da erscheint der Shooter für PC, Xbox One, Xbox Series S|X und im Xbox Game Pass - allerdings ohne Forge oder Koop-Modus.