Bahnkunden in Mittenwald auf dem Abstellgleis

2022-06-18 21:19:59 By : Ms. Connie Wang

Das Zugunglück von Garmisch-Partenkirchen mit fünf Toten und über 60 Verletzten ist eine Tragödie umfassbaren Ausmaßes. Die Informationspolitik der Deutschen Bahn hingegen ist ein Trauerspiel. So empfinden es zumindest viele Reisende, die sich im Ferienziel-Bahnhof Mittenwald regelrecht abgehängt vorkommen.

Mittenwald – CSU-Gemeinderätin Regina Hornsteiner bringt es auf den Punkt: „Die Bahn ist derzeit ein Wahnsinn. Ihr Personal ist total überfordert, hat keine Ahnung, und daneben fühlt sich auch keiner zuständig.“ Bereits im Januar monierte sie, dass es im Mittenwalder Bahnhof keinen DB-Info-Stand mehr gibt. Was das für Konsequenzen hat, bekamen nun Bahnreisende zu spüren. Da seit dem Zugunglück vom 3. Juni die Strecke zwischen Mittenwald und Garmisch-Partenkirchen gesperrt war, mussten sie auf den Schienenersatzverkehr zurückgreifen.

Die Bahn ist derzeit ein Wahnsinn. Ihr Personal ist total überfordert, hat keine Ahnung, und daneben fühlt sich auch keiner zuständig.

Doch dann ergeben sich Situationen wie die folgende: Am Bahnhof steht ein leerer Bus ohne Fahrer an der Haltestelle des Regionalverkehrs Oberbayern (RVO). Rund 25 Kunden warten auf die planmäßige Abfahrt. Doch nichts passiert. Da erscheint eine Vertreterin der Deutschen Bahn. Sie teilt mit, dass sich die Abfahrt verzögert, weil der Busfahrer in Mittagspause gegangen sei.

Auf die Frage, warum man am Bahnhof keine Hinweisschilder findet, dass kein Zug mehr Richtung Garmisch-Partenkirchen unterwegs sei und sich auch im Ersatzverkehr die Abfahrtszeiten verschieben, kommt als Antwort: „Dafür sind wir nicht zuständig.“ Auf den Bahnsteigen werde doch über Infotafeln mitgeteilt, dass Züge aktuell nur in Richtung Seefeld im Einsatz sind.

Um einigermaßen an Informationen zu kommen, suchen viele die Bahnhofsgaststätte „Das Lokal“ auf. „Es werden täglich mehr“, berichtet Wirt Klaus Häcker. „Ich bleibe freundlich und gebe nach bestem Wissen Auskunft, denn die Gäste können ja nichts dafür.“ In diesem Zusammenhang beklagt auch der Lokal-Pächter zum wiederholten Mal, dass der im Bahnhof von Anja Döring in ihrem Reisebüro noch bis Mitte Januar 2022 betriebene DB-Infostand mit Fahrkartenverkauf geschlossen wurde. „Wir hätten die Bahnkunden für einen Stundenlohn von rund zwei Euro weiterhin betreuen sollen“, wiederholt die Unternehmerin das Problem mit dem lieben Geld. „Da haben wir die Mitarbeit mit der DB eingestellt.“

Unsere Gäste stehen im Regen, obwohl die Sonne scheint. 

Da auch der Ticketautomat in der Bahnhofshalle entfernt wurde, suchen die Gäste vielfach in der Tourist-Info im Rathaus Rat. „Jetzt machen sich die wenigen Investitionen der DB bemerkbar“, bedauert TI-Büroleiter Philipp Golka. „Unsere Gäste stehen im Regen, obwohl die Sonne scheint. Es gibt viele Fragen und keine Antworten, zumal auch im Internet widersprüchliche Auskünfte kursieren.“ Trotzdem versucht man in der Tourist-Info zu helfen. „Wir können aber oft nichts weitergeben, weil wir selbst keine Informationen bekommen.“

Für einen Urlaubsort sind solche Zustände keine Visitenkarte. Das hat sich auch die CSU-Fraktion gedacht und Bürgermeister Enrico Corongiu (SPD) bereits im Januar den Vorschlag gemacht, ob Mitarbeiter der Tourist-Info künftig nicht auch Zugtickets verkaufen könnten.

Doch da gibt es prompt eine Abfuhr von Seiten der Alpenwelt-Karwendel-GmbH. „Der Aufwand für eine DB-Agentur im Rathaus ist zu hoch“, lässt AWK-Geschäftsführerin Sabrina Blandau wissen. „Wir haben das Für und Wider in den entsprechenden Gremien ausführlich diskutiert und beschlossen, dass dieses Ziel nicht weiter verfolgt wird.“ Blandau betont aber, „dass wir wie bisher und jederzeit die entsprechenden Auskünfte geben – falls wir diese von der Deutschen Bahn auch rechtzeitig bekommen.“

Und wie fällt die Stellungnahme der Deutschen Bahn zu diesen Vorwürfen aus? Eine entsprechende Anfrage des Tagblatts blieb auch nach zwei Tagen unbeantwortet. Bezeichnend in diesem Kontext auch die seit mehreren Tagen auf dem Anrufbeantworter der RVO-Leitstelle Weilheim abzuhörende Ansage. „Der gewünschte Teilnehmer hat seine Mailbox ausgeschaltet, Sie können deshalb auch keine Nachricht hinterlassen.“

Mittenwald – auf dem Abstellgleis. Wolfgang Kunz